Aber - der Wolf im Schafspelz unseres Denkens und Sprechens 

Es ist nur ein kleines Wort, kaum merklich in den Fluss unserer Sprache eingewoben. Und doch hat es die Kraft, Beziehungen zu prägen, Gespräche zu lenken und unser eigenes Denken subtil zu beeinflussen: „Aber.“

Jedes Mal, wenn wir es verwenden, setzen wir eine unsichtbare Grenze – zwischen unserer Sichtweise und der des anderen, zwischen dem, was ist, und dem, was wir für richtiger halten. „Das ist eine gute Idee, aber...“ – und schon verliert das vorher Gesagte an Bedeutung. Das „Aber“ stellt unsere eigene Perspektive über die des Gegenübers, oft ohne dass wir es bemerken. Diese sprachliche Hierarchie kann Widerstand hervorrufen – bewusst oder unbewusst –, weil unser Gesprächspartner spürt: Hier wird etwas relativiert, vielleicht sogar abgewertet.

Doch nicht nur in Dialogen mit anderen spielt „Aber“ eine unterschätzte Rolle. Auch in unserem inneren Dialog – der Art, wie wir mit uns selbst sprechen – kann es ein unsichtbarer Saboteur sein.

  • „Ich bin stolz auf mich, aber es war ja auch nicht so schwer.“

  • „Ich habe Fortschritte gemacht, aber andere sind schon viel weiter.“

Was macht dieses kleine Wort mit uns? Es entwertet. Es nimmt uns die Möglichkeit, unsere Gedanken und Gefühle nebeneinander bestehen zu lassen. Statt Fortschritt anzuerkennen, legen wir sofort eine Hürde dahinter. Statt uns selbst aufzubauen, reißen wir unbewusst ein Stück Stabilität ein.

Was wäre, wenn wir „Aber“ durch „Und“ ersetzen?

  • „Ich bin stolz auf mich, und ich weiß, dass noch mehr möglich ist.“

  • „Ich habe Fortschritte gemacht, und ich kann meinen eigenen Weg in meinem Tempo gehen.“

Ein kleiner sprachlicher Wechsel – mit einer großen Wirkung. „Und“ lässt Raum für beides: für Anerkennung und Weiterentwicklung, für Zuhören und Ergänzen, für Verbindung statt Trennung.

Sprache formt nicht nur unsere Beziehungen, sondern auch unsere innere Welt. Wie wir mit anderen sprechen, beeinflusst, wie wir mit uns selbst sprechen – und umgekehrt. Wer bewusst mit Worten umgeht, kann nicht nur Gespräche konstruktiver gestalten, sondern auch sein eigenes Denken stärken.

Vielleicht ist es Zeit, das „Aber“ ein wenig leiser und das „Und“ ein wenig lauter werden zu lassen.

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